ATMPs: Arzneimittel für neuartige Therapien2021-07-26T14:32:25+02:00
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ATMPs

Arzneimittel für neuartige Therapien

Arzneimittel für neuartige Therapien umfassen Gentherapeutika, somatische Zelltherapeutika und biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte (tissue engineered products) oder deren Kombination. ATMPs sind biologische Arzneimittel gemäß der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates soweit sie Eigenschaften zur Heilung oder Verhütung von Krankheiten beim Menschen aufweisen oder wenn sie im oder am menschlichen Körper zur Wiederherstellung, Korrektur oder Beeinflussung der menschlichen physio­logischen Funktionen hauptsächlich durch eine pharmakologische, immun­ologische oder metabolische Wirkung zeigen. Seitens der Europäischen Union wurde eigens eine Verordnung zur Harmonisierung der Vorschriften für den Verkehr dieser Arzneimittel verabschiedet, Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 der Europäischen Parlaments und des Rates, um den Besonderheiten dieser biotechnologischen Arzneimittel und deren Komplexität in der Anwendung gerecht werden zu können.

Gentherapeutika

Ein Gentherapeutikum ist ein biologisches Arzneimittel zur Anwendung im oder am Menschen mit folgenden Merkmalen:

  • Es enthält einen Wirkstoff, der eine rekombinante Nukleinsäure enthält oder daraus besteht, der im Menschen verwendet oder ihm verabreicht wird, um eine Nukleinsäuresequenz zu regulieren, zu reparieren, zu ersetzen, hinzuzufügen oder zu entfernen.
  • Und, seine therapeutische, prophylaktische oder diagnostische Wirkung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der rekombinanten Nukleinsäure­sequenz, die es enthält, oder mit dem Produkt, das aus der Expression dieser Sequenz resultiert.

Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten zählen nicht zu den Gentherapeutika.

Market Access und Reimbursement von ATMPs

ATMPs werden als biologische Arzneimittel von der EMA zugelassen. Der Marktzugang und die Erstattung der Arzneimittel in Deutschland entspricht im Regelfall dem innovativer Arzneimittel oder ggf. den Regelungen zu orphan drugs, falls ein orphan drug Status vorliegt. Das bedeutet konkret, dass auch ATMPs, soweit sie ambulant eingesetzt werden, dem Verfahren der frühen Nutzenbewertung unterliegt. Für ATMPs, die ausschließlich stationär eingesetzt werden, kann ein Ausnahmeantrag beim Gemeinsamen Bundesausschuss auf Freistellung von der Nutzenbewertung mindestens 3 Monate vor Markteintritt gestellt werden.

Dennoch hat sich gezeigt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss ATMPs nicht immer als Arzneimittel behandelt, sondern je nach Umfang und Anteil der medizinischen Leistungen beim Einsatz des ATMPs eine Bewertung als Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode gemäß § 135 SGB V vorgenommen hat. Beispiele dafür sind die Gentherapie C-Cure® und die biotechnologischen Gewebeprodukte Holoclar und Maci. Aufgrund der Neuartigkeit der ATMPs ist festzustellen, dass im Hinblick auf die Erstattung der Produkte somit unterschiedliche Rechtsgrundlagen zur Anwendung gekommen sind. Die hat Konsequenzen für die Hersteller der ATMPs, da je Verfahren unterschiedliche Anforderungen, zeitliche Vorgaben und Möglichkeiten der Preisverhandlung vorliegen. Das Verfahren der frühen Nutzenbewertung nach § 35a SGB V sieht klare formale Vorgaben für das AMNOG Dossier vor, der zeitliche Rahmen ist definiert und die Nutzenbewertung mündet in Preisverhandlungen über das neue Produkt, die nach 12 Monaten zu einer Vereinbarung über den Erstattungsbetrag führen. Das neue Produkt ist mit der Markteinführung unmittelbar erstattungsfähig, der Preis für das Produkt kann durch den pharmazeutischen Unternehmer frei gewählt werden und wird über der Verfahren der frühen Nutzenbewertung mit anschließenden Preisverhandlungen in einen verhandelten Erstattungsbetrag überführt.

Eine Einordnung eines ATMPs als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode bedeutet hingegen, dass das Produkt zunächst nicht erstattungs­fähig ist, da im ambulanten Bereich der sogenannte Erlaubnisvorbehalt gilt. Der Erlaubnis­vorbehalt besagt, dass Untersuchungs- und Behandlungs­methoden so lange keine Leistungen der gesetzlichen Kranken­versicherung (GKV) sind und somit von Ärzten nicht zulasten der GKV angewendet oder verordnet werden können, bis der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hierzu ein positives Votum abgegeben hat. GBA prüft, ob eine bestimmte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gegeben ist. Die Regelung nach § 135 SGB V unterscheidet sich von der frühen Nutzenbewertung nach AMNOG hinsichtlich der berechtigten Antragsteller, der zeitlichen Vorgaben und der Preisfindung. Anträge zur Bewertung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 SGB V können nur von den unparteiischen Mitgliedern des G-BA, einer Kassen­ärztlichen Bundesvereinigung, einer kasse

Somatische Zelltherapeutika

Ein somatisches Zelltherapeutikum ist ein biologisches Arzneimittel zur Anwen­dung im oder am Menschen, das folgende Merkmale aufweist:

  • Es besteht aus Zellen oder Gewebe, die substanziell bearbeitet wurden, so dass biologische Merkmale, physiologische Funktionen oder strukturelle Eigenschaften, die für die beabsichtigte klinische Verwendung relevant sind, verändert wurden.
  • Es besteht aus Zellen oder Gewebe, die im Empfänger im Wesentlichen nicht der(n)selben Funktion(en) dienen sollen wie im Spender, oder es enthält derartige Zellen oder Gewebe. Dieser Bestimmungszweck wird auch „non-homologous use“ genannt.
  • Ihm werden Eigenschaften zur Behandlung, Vorbeugung oder Diagnose von Krankheiten durch pharma­ko­logische, immunologische oder metabolische Wirkungen der enthaltenen Zellen oder Gewebe zugeschrieben und es wird zu diesem Zweck im Menschen verwendet oder ihm verabreicht.

Biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte

Ein biotechnologisch bearbeitetes Gewebeprodukt ist ein biologisches Arznei­mittel zur Anwendung im oder am Menschen, das folgende Merkmale aufweist:

  • Es enthält biotechnologisch bearbeitete Zellen oder Gewebe oder es besteht aus ihnen.
  • Ihm werden Eigenschaften zur Regeneration, Wiederherstellung oder zum Ersatz menschlichen Gewebes zugeschrieben.

Zellen oder Gewebe gelten als biotechnologisch bearbeitet, wenn sie wenigstens eine der folgenden Bedingungen erfüllen:

  • Die Zellen oder Gewebe wurden substanziell* bearbeitet, so dass biologische Merkmale, physiologische Funktionen oder strukturelle Eigenschaften, die für die beabsichtigte Regeneration, Wiederherstellung oder den Ersatz relevant sind, erzielt werden.
  • Die Zellen oder Gewebe sind nicht dazu bestimmt, im Empfänger im Wesentlichen dieselbe(n) Funktion(en) auszuüben wie im Spender (non-homologous use).

Keine biotechnologisch bearbeiteten Produkte sind Produkte, die ausschließlich nicht lebensfähige menschliche oder tierische Zellen und / oder Gewebe enthalten oder aus solchen bestehen und die nicht hauptsächlich pharma­kologisch, immunologisch oder metabolisch wirken.

Preisverhandlungen von Orphan Drugs

Preisverhandlungen zum Erstattungsbetrag von orphan drugs sind weit weniger kalkulierbar als Preisverhandlungen zu klassischen Arzneimitteln. Die Systematik der Preisverhandlungen mit dem GKV Spitzenverband orientieren sich an § 130b SGB V und den Vorgaben der Rahmenvereinbarung, die zwischen dem GKV Spitzenverband und den Industrieverbänden abgeschlossen worden ist.

Die Rahmenvereinbarung geht davon aus, dass der Zusatznutzen als Aufschlag auf die zweckmäßige Vergleichstherapie zu einem Erstattungsbetrag führt. Zudem kommen als Faktoren der Preisbildung die Preise vergleichbarer Arzneimittel im Anwendungsgebiet und die Europäischen Referenzpreise und -mengen hinzu. Da bei orphan drugs im Allgemeinen weder eine zweckmäßige Vergleichstherapie existiert noch vergleichbare Arzneimittel im Anwendungs­gebiet, kann der Erstattungsbetrag letztlich nicht als Aufschlags­modell in Abhängigkeit des Zusatznutzens konzipiert werden. Da Deutschland häufig eines der ersten Länder in Europa darstellt, in dem ein Erstattungsbetrag vorliegt, unterliegen die europäischen Referenzpreise ebenfalls Einschränkungen.

Damit fehlt bei orphan drugs häufig ein Referenzwert, der eine preisliche Bewertung des Zusatznutzens ermöglicht. Die Preisverhandlungen zu orphan drugs sind insofern stärker durch weiche Verhandlungsfaktoren und Perzeptionen beeinflusst. Es lässt sich allenfalls ein Zusammenhang zwischen der Prävalenz und dem Preis bzw. Erstattungsbetrag empirisch feststellen.

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