
Abbildung 1: Voraussetzungen, Pro und Kontra des vertraulichen Erstattungsbetrages.
Vertrauliche Erstattungsbeträge sind seit neuestem in Deutschland möglich, wenn das Arzneimittel und das pharmazeutische Unternehmen verschiedene Voraussetzungen erfüllen. Wichtig ist, dass der vertrauliche Erstattungsbetrag nur für neue Arzneimittel mit erstmaligem Markteintritt in Deutschland und für Unternehmen mit aktiver Forschung in Deutschland zur Verfügung stehen wird.
Bislang waren die Erstattungsbeträge in Deutschland öffentlich zugänglich, so dass die realen deutschen Preise im europäischen Referenzpreissystem genutzt werden konnten. Nunmehr besteht mit dem Medizinforschungsgesetz (MFG) die Option, dass pharmazeutische Unternehmen den Erstattungspreis vertraulich behandeln können, obwohl dies mit Kosten verbunden ist.
Die Option steht für innovative Arzneimittel zur Verfügung, die in der AMNOG-Nutzenbewertung bewertet wurden und deren Verhandlungen zum Erstattungsbetrag nach erstmaligem Markteintritt zwischen dem 1. Januar 2025 und dem 30. Juni 2028 mit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgeschlossen wird. Es ist nicht möglich, einen vertraulichen Erstattungsbetrag festzulegen, wenn ein bereits gelisteter Erstattungsbetrag nach einer Neubewertung des Arzneimittels neu verhandelt werden muss. Es ist jedoch möglich, dass ein Produkt mit einem ursprünglich vertraulichen Erstattungsbetrag auch nach einer Neubewertung den Status der Vertraulichkeit beibehält.
Zwei weitere Voraussetzungen für einen vertraulichen Erstattungsbetrag zielen darauf ab, den Forschungsstandort Deutschland zu stärken. Die erste Voraussetzung besteht darin, dass das pharmazeutische Unternehmen über eine ständige und aktive Forschungsabteilung in Deutschland verfügt. Im Falle von Entwicklungskooperationen, Lizenzierungen oder Asset Deals ist es auch akzeptabel, wenn die Forschungsabteilung dem jeweiligen Kooperations- oder Lizenzpartner gehört. Darüber hinaus verlangt die zweite Bedingung, dass das pharmazeutische Unternehmen relevante eigene Projekte (z. B. gesponserte Studien) und/oder Kooperationen mit öffentlichen Forschungseinrichtungen in Deutschland unterhält. Die Projekte bzw. Kooperationen müssen laufend sein, abgeschlossene Projekte bzw. Kooperationen werden nicht akzeptiert. Pharmazeutische Unternehmen, die keine Forschungstätigkeit in Deutschland ausüben, haben nicht die Möglichkeit, einen vertraulichen Erstattungsbetrag zu vereinbaren.
Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, kann sich das pharmazeutische Unternehmen für den vertraulichen Erstattungsbetrag entscheiden. Als Folge der Vertraulichkeit ist das Pharmaunternehmen gesetzlich verpflichtet, einen zusätzlichen Abschlag von 9 % auf den ausgehandelten Erstattungsbetrag zu gewähren. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen zunächst den Listenpreis, das pharmazeutische Unternehmen erstattet rückwirkend die Differenz zwischen Listenpreis und tatsächlichem Erstattungsbetrag – inklusive der Differenz bezogen auf die Großhandels- und Apothekenmarge, die Mehrwertsteuer und ggf. die Zuzahlung des Patienten. Die Mehrwertsteuerdifferenz kann steuerlich geltend gemacht werden.
Vorteile des vertraulichen Erstattungsbetrages sind, dass der tatsächliche Erstattungsbetrag nicht mehr zur Referenzierung durch andere europäische Staaten zur Verfügung steht und dass private Käufer weiterhin den vollständigen, hohen Listenpreis zahlen. Zu den Nachteilen zählt insbesondere die erhöhte Preisintransparenz in Deutschland und Europa. Weiterhin entstehen dem pharmazeutischen Unternehmer durch den zusätzlichen 9%-igen Rabatt und den Ausgleich der Preisdifferenz zusätzliche Kosten. Pharmazeutische Unternehmer ohne Forschung in Deutschland sind gänzlich von der Möglichkeit der Vereinbarung vertraulicher Erstattungsbeträge ausgeschlossen.
Das Ziel des MFG ist die Stärkung des Forschungsstandortes Deutschland. Mit der Möglichkeit eines vertraulichen Erstattungsbetrages werden der Industrie Anreize zur Forschung in Deutschland geboten, die allerdings im Vorhinein kaum zu beziffern sind, da die Erstattungsbeträge im Wesentlichen durch die Nutzenbewertung geprägt sind. Gleichzeitig mindern die mit dem vertraulichen Erstattungsbetrag verbundenen Kosten (zusätzlicher Rabatt, Rückzahlungen) die Attraktivität der Forschungsanreize, so dass diese Malusregelungen im Gegensatz zu den eigentlichen Zielen des MFG stehen.